Innovationen aus Weser-Ems

Deutschen Reparaturwerften und mittelständischen Schiffsfarbenherstellern droht durch die Umsetzung der EU-Biozid Verordnung das Aus

15. November 2016

Hamburg 11.11.2016: Auf einer gemeinsamen Veranstaltung des Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) und des Verbandes der deutschen Lack- und Druckfarbenindustrie (VdL), die auf großes Interesse traf, warnten die Verbände vor den existenzbedrohenden Regeln der in der Umsetzung befindlichen EU-Biozid-Verordnung.

Hamburg 11.11.2016: Auf einer gemeinsamen Veranstaltung des Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) und des Verbandes der deutschen Lack- und Druckfarbenindustrie (VdL), die auf großes Interesse traf, warnten die Verbände vor den existenzbedrohenden Regeln der in der Umsetzung befindlichen EU-Biozid-Verordnung.

Der Vorsitzende der VdL-Arbeitsgruppe Schiffsfarben, Michel Wilckens, erklärte, dass die Kosten für die Zulassung von Schiffsfarben unkalkulierbar seien. Auch alle älteren Produkte brauchen in den nächsten drei Jahren eine Zulassung, um weiter vertrieben zu werden. Für mittelständische Firmen dürften die Kosten nicht zu tragen sein. Es fielen nicht nur allein rund 50.000 € Gebühren für die Erstzulassung in einem EU Mitgliedsland an, sondern zusätzlich die Gebühren für die Zulassung in den anderen EU Staaten und vor allem Kosten für die Erstellung/den Kauf der notwendigen einzureichenden Unterlagen. Diese Summen seien kaum im Markt wieder hereinzuholen.
Der Hauptgeschäftsführer des VSM, Dr. Reinhard Lüken, betonte, dass der europäische Alleingang bei diesem Thema für die global agierende maritime Industrie einfach keinen Sinn ergibt. Die Frage, welche Schiffsbewuchsschutzwirkstoffe in den Schiffsanstrichen (Antifoulingfarben) eingesetzt werden dürfen, hat die International Maritime Organisation (IMO) in einer Konvention geregelt, die weltweit gilt. Wenn die EU Erkenntnisse über weitere gefährliche Biozide habe, so ist ein effektives Verbot dieser Stoffe nur durch eine entsprechende Erweiterung der IMO-Konvention zu erreichen, so Dr. Lüken. „Es zeigt sich auch hier, dass gutgemeint nicht gutgemacht bedeutet. Das eigentliche Ziel, der Schutz der Meereslebewesen vor gefährlichen Bioziden, wird mit dem eingeschlagenen Weg nicht annähernd erreicht. Der überwiegende Teil der Welthandelsflotte kommt nicht aus Europa und fährt unter Nicht-EU-Flaggen. Jedes IMO-konforme Schiff hat das völkerrechtlich verbriefte Recht, alle Gewässer zu durchfahren. Ein regionales Verbot von wirksameren Antifouling-Anstrichen nur für EU-Werften und EU-Flaggen wird den Biozid-Eintrag in europäische Gewässer nicht reduzieren. Der ökologische Effekt ist null, der wirtschaftliche Schaden aber riesig, denn bei jeder Dockung werden neben der Farbe auch umfangreiche weitere Reparaturen durchgeführt. Ohne die Möglichkeit den gewünschten Farbanstrich zu bekommen, werden sämtliche Reparaturen außerhalb der EU stattfinden.“

Prof. Dr. Volker Bertram von der Klassifikationsgesellschaft DNV GL erklärte, wie notwendig wirksame Antifoulinganstriche für das Einsparen von Treibstoff und damit für die Reduzierung von CO2 bzw. generell des Emissionsausstoßes seien. Unzureichender Antifoulingschutz könne bis zu 20 % mehr Kraftstoffverbrauch führen. Zweite unerwünschte ökologische Nebenfolge wäre das Einschleppen invasiver fremder Arten, was zurzeit gerade mit großen Anstrengungen der EU und der Weltgemeinschaft bekämpft wird. Etwa jeweils 50 % der invasiven Arten würden durch Ballastwasser bzw. Rumpfbewuchs verbreitet.

Auf der Veranstaltung wurden noch ungeklärte Fragen aufgeworfen, die für die aktuelle Umsetzung der EU-Verordnung entscheidend sind. Dr. Sabine Gärtner aus dem Bundesumweltministerium, die die Verordnung und den Verfahrensstand erläuterte, machte deutlich, wie wenige Spielräume einzelne Mitgliedsstaaten im EU-Gefüge haben. Einige der offenen Fragen könnten nur durch die EU-Kommission in Durchführungsbeschlüssen geklärt werden. Die Bundesregierung könne offiziell dazu ein entsprechendes Verfahren in Gang setzen. So ist bis heute unklar, ob ein europäischer Reeder, der ein in Asien gebautes Schiff kaufe, das bei einem asiatischen Reeder unter fremder Flagge gefahren sei, dieses überhaupt unter EU-Flagge einsetzen dürfe, wenn dessen Antifoulingschutz einen nicht in der EU zugelassenen Wirkstoff enthalte.

Der Geschäftsführer der Reparatur- und Umbauwerft German Dry Docks,Guido Försterling, führte aus, dass über 90 % der Kunden deutscher Reparaturwerften aus dem Nicht-EU-Ausland kämen. Meistens hätten diese Reeder mit Farbenherstellern einen Rahmenvertrag, weshalb die Werft keinen Einfluss auf die zu verwendende Antifoulingfarbe habe. Wenn die Farben dieser Reeder aber in der EU nicht zum Einsatz kommen dürften, würden sich diese Reeder schlicht andere Werften suchen. Auch der Markt der Schiffsinstandsetzung sei wie die Schifffahrt komplett globalisiert. Selbst der Schiffsverkehr innerhalb Europas habe ausreichend Ausweichmöglichkeiten, um unter Nicht-EU-Flagge Instandsetzungen in Russland oder der Türkei durchführen zu lassen. Der gesamten Branche in der EU drohe das Aus. In Deutschland könne von dem geringen inländischen Markt vielleicht eine Werft leben.

Die Verbände erklärten zum Abschluss, dass sie die Bundesregierung und die Europäische Kommission auffordern, das Schlimmste noch zu verhindern.